Die Figuren von Julia Kausch begegnen den Betrachtern mit einem körperlichen Ausdruck, der sehr individuell und doch seltsam vertraut scheint. Der festgehaltene Moment erzählt eine ganze Handlung und der Bildhauerin gelingt es in der statischen Form die Bewegungen und Emotionen dieser Narration zu erhalten. Die dargestellten Gestalten fordern das in den Muskeln, Knochen und Fasern des Betrachters eingeschriebene Wissen heraus. Die Haltung der Figuren, physisch wie emotional, wird reflektiert und kann mit dem eigenen Körper erlebt werden. Viele Gefühlsregungen finden in den Plastiken Ausdruck und ziehen in ihren Bann.
Julia Kausch hegt eine Faszination für das Thema Jugend. Heranwachsende vereinen in sich die Spannung zwischen dem kindlich Intuitiven und dem erfahrenen Verstand. Die behände Leichtigkeit verbunden mit dem wachsenden Bewusstsein für die Außenwelt, der Gegensatz von kindlicher Gemächlichkeit und erwachsener Rastlosigkeit verleiht den Gestalten Energie. »Diese Lebensphase ist wohl die Kürzeste aber Prägendste«, sagt Julia Kausch. »Sie ist für mich ein Sinnbild: Es ist, als könne man in dieser kurzen Phase eines einzelnen jungen Menschen die gesamte zeitlich viel weitreichendere Entwicklung der Menschheit betrachten.«
Kausch unterstreicht die Vielfalt des Stehens, Tragens, Sinnens in den von ihr geformten ruhigen, maßvollen Körpern. Sie verdichtet die Form und Posen der Figuren auf das Wesentliche. Attribute oder architektonische Fragmente ihrer Verortung tragen sie nur, wenn diese gleichsam Teil ihrer inneren Natur sind. Die Geometrie und Architektur der Körper steht dabei in sensiblem Gleichgewicht zu ihrem emotionalen Gehalt.
»Meine Arbeiten bedürfen Zeit, in der Erarbeitung sowie in der Betrachtung«, meint die selbst noch junge Bildhauerin. »Nimmt man sich als Betrachter*in nicht die Zeit, wird man meine Arbeiten nicht in ihrer Gänze wahrnehmen. Man könnte sagen, ich fordere Zeit geradezu ein.«
So fordert die Bildhauerin Zeit und gibt sie als Erfahrung und in der Kontemplation den Betrachtern ihrer Arbeiten gleichsam zurück.
I am seeking measure in excess. I understand my figurative sculpting as an alternative to the current, sterile processes of perception and the decoupled relations of humans with their environment. We are excessive in a world that is limited. With my bronze works I develops a contemplative image of humankind; resting and musing figures urge towards moderation and provide space for one's own reflections.
Ich suche das Maß in der Maßlosigkeit. Ich verstehe meine figürliche Bildhauerei als Gegenentwurf zu aktuellen, sterilen Wahrnehmungsvorgängen und dem entkoppelten Umgang mit der eigenen Umwelt. Wir sind maßlos in einer Welt, die begrenzt ist. So entwickele ich mit meinen Bronzearbeiten ein kontemplatives Menschenbild; ruhende und sinnende Figuren mahnen zum Maßhalten und bieten Raum für das eigene Sinnen.
Meine kritische Auseinandersetzung mit dem reformatorischen Bildersturm war Ausgangspunkt für die Bronzefigur »Träger«. Der Torso thematisiert die verheerende Wirkung der Zerstörung von Kunst und steht sinnbildlich für jede Art der Zerstörung des kulturellen Gedächtnisses.
Die Bronze greift einerseits antike Torso-Funde auf und zitiert andererseits Abwandlungen des gotischen Kruzifixes. So greift die Plastik mit den verschränkten Beinen und dem Kreuzfragment typische Darstellungen des gekreuzigten Christus auf. »Träger« ist jedoch keine hängende Figur, sondern ein stehender Kreuzträger, der zugleich auch an einen Atlanten erinnert. Das bruchstückhafte Tragen deutet Fehlendes an und wird dabei zum Symbol für Kulturverlust.
Auch heute sind materielle und immaterielle Kulturgüter akut von politisch oder religiös motivierten Zerstörungen bedroht, die Auseinandersetzung mit Kulturvandalismen ist nach wie vor notwendig.